Die Kamera
Die Dreifarbensynthese
beruht auf dem Prinzip der Zerlegung der Mischfarben der Natur in
die drei Farbkomponenten Rot, Grün und Blau.
Jede Farbnuance, und
auch Weiß, kann durch additive Mischung der Grundfarben Rot, Grün
und Blau gebildet werden. Ebenso ist es möglich aus einer Mischfarbe
jederzeit die in ihr enthaltenen Anteile Rot, Grün und Blau
auszusondern.
Aufgrund dieser
Separation ist es möglich, eine fotografische Registrierung der in
den Mischfarben enthaltenen Anteile der Grundfarben vorzunehmen. Bei
Belichtung auf fotografisches Material musste dazu eine Aufnahme
durch ein rotes, eine zweite durch ein grünes und eine dritte
Aufnahme durch ein blaues Filter erstellt werden.
Dies geschah mit der von
Prof. Dr. Miethe eigens für diesen Zweck entwickelten Kamera.

Die Kamera war
charakterisiert durch einen hinteren Gleitrahmen, mit dem sich
übereinander angeordnet, in der Reihenfolge Violett, Grün, Rot, die
drei Aufnahmefilter von oben nach unten an der Balgenöffnung
vorbeibewegen ließen. Eine Sperrvorrichtung ließ den Rahmen in den
Filterstellungen festhalten. Eine langgestreckte Kassette, die die
Platten (9x24cm) enthielt, bewegte sich mit den Filtern. Das
bedeutete, dass die Filter sich nicht vor dem Objektiv, sondern
dicht vor der Mattscheibe befanden.
Das Objektiv musste
apochromatisch (d.h. der Bildort fällt für drei Wellenlängen
zusammen) sein, damit die drei Teilbilder bei gleichzeitiger Schärfe
die gleiche Größe hatten.
Da die nacheinander
angefertigten fotografischen Platten die Intensitäten der
Grundfarben eines Objektes als Helligkeitswerte wiedergeben sollten,
mussten sie für Rot, Grün und Blau lichtempfindlich sein. Dieses war
früher bei den für gewöhnlich verwendeten Bromsilberemulsionen nicht
der Fall; sie waren gemeinhin nur blau- und violettempfindlich.
Nach dem damaligen Stand
der Wissenschaft sollten die fotografischen Platten für Rot, Grün
und Blau empfindlich sein. Deshalb verwendete man früher für die
Rotfilteraufnahme eine Platte die durch Sensibilisatoren
rotempfindlich gemacht wurde, für die Grünfilteraufnahme eine
grünsensibilisierte Platte und für die Blaufilteraufnahme eine
gewöhnliche Trockenplatte.
Prof. Dr. Miethe äußerte
jedoch Bedenken gegen die Verwendung dreier verschieden
sensibilisierter Platten.
"Soll die Analyse der Farben in den drei
Teilbildern richtig sein, ... , so müssen die drei Negative offenbar
genau den gleichen Charakter haben, die drei Platten müssen sich
also bei der Entwicklung vollkommen gleich verhalten."
Und das war nur möglich, wenn die Emulsion die
gleiche Sensibilisierung besaß. Prof. Dr. Miethe ging davon aus,
dass durch die unterschiedlichen Sensibilisierungen in den Negativen
keine richtige Registrierung der Grundfarben möglich sei. Nach der
Entwicklung entständen verschieden kräftige Negative von
verschiedenem Charakter. Miethe wollte den Einfluß des
Entwicklerbades auf unterschiedlich sensibilisierte Platten
vernachlässigen. Er setzte sich dafür ein, dass ein gleichartiges
Plattenmaterial genutzt wurde. Miethe verwendete aufgrund dieser
Tatsache panchromatische Trockenplatten.
Die Filter
Bevor es zur Aufnahme überging, musste die
Überlegung angestellt werden, auf welchem Weg die Bilder später
gezeigt werden sollten. Entscheidend war dabei die richtige
Filterwahl, wobei „additive“ Filter andere Eigenschaften als „subtraktive“
Filter hatten. Die Benennung der Filter beinhaltet sozusagen das
Prinzip des Reproduktionsverfahrens.
Zum allgemeinen Verständnis:
Die additiven Filter wurden für die Projektion
genutzt.
Die subtraktiven Filter für die Druckerstellung.
Um Rot, Grün und Blau aus den damals üblichen
Druckfarben zu reproduzieren, musste im roten Teilbild (heute
Magenta) das blaue Feld weniger satt gefärbt sein als das rote, im
blauen (Cyan) Teilbild muß das grüne Feld weniger Farbensatt
erscheinen wie das blaue und das gelbe Teilbild muss das rote heller
als das grüne zeigen.
Diese Forderung erfüllte man durch die Verwendung
eines gelbstichigen Rotfilters für den Rotfilterauszug und eines
blaustichigen Grünfilters für den Grünfilterauszug.
Miethe’s Filter waren folgendermaßen aufgebaut. Der
Rotfilter für die Blaudruckplatte (Cyandruckplatte) musste Rot und
Orange vollkommen und etwas Grün hindurchlassen. Der Grünfilter für
die Rotdruckplatte musste Grün und Blaugrün durchlassen.
Die Belichtungszeit
Um die Farbnuancen der Natur adäquat darzustellen, mussten die
richtigen Belichtungszeitverhältnisse ermittelt und angewendet
werden.
Diese hingen von zwei Faktoren ab, von der verwendeten Plattenart
und von den verwendeten Farbenfilter. Um gute Ergebnisse zu erzielen
war es deshalb ratsam, immer dieselben Filter und Plattenarten zu
benutzen. Bei Wechsel der Plattenart musste das
Belichtungszeitverhältnis geändert werden. Dieses mussten die
Fotografen dann selbst ermitteln.
Prof. Dr. Miethe ging dabei in folgender Weise vor. Er machte
seine Testreihen an einem trüben, aber hellen Tag mit möglichst
weißem Licht oder in hellen Innenräumen deren Wände grau waren und
genug Tageslicht enthielten. Er wählte die Aufnahmebedingungen so,
dass bei möglichst konstantem Licht sich die Lichtintensität und
Farbe nicht änderte.
Als Motiv diente eine kleine Gipsbüste auf dunkelgrauem
Hintergrund. Die Büste beleuchtete er so, dass zwischen den hellsten
Lichtern und den tiefsten Schatten genügend Abstufungen wahrzunehmen
waren. Dann machte er die drei Teilaufnahmen unter Wahrung der
ermittelten Expositionszeitverhältnisse.
Bei seinem Apparat waren die Filter so abgestimmt, dass bei
additiven Filtern und Verwendung von Trockenplatten die
Belichtungszeiten Blau, Grün, Rot sich verhielten wie 1:1:2.
Bei subtraktiven Filtern lag das Verhältnis bei ½ : ¾ : 1 ½ - 2.
Wenn nach der Entwicklung die Teilbilder in den Halbtönen
vollkommen gleich erscheinen, dann hatte man die richtige
Belichtungszeiten.
Prof. Dr. A. Miethe
veröffentlichte Belichtungszeittabellen nach denen man sich bei der
Dreifarbenfotografie richten konnte.

Belichtungszeittabelle
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